Alaska Abenteuer 1997

Published by Klaus Brandmaier on

Ein Jahrhundertsommer in Alaska.                            

Chochokpi hatte in seinem langen Leben schon viele Sommer erlebt. Warme Sommer, aber mit Mückenschwärmen, dass die Sonne dunkel wurde und die Karibus zu Tausenden nach Norden ziehen mussten, um dieser Plage zu entgehen. Dann zog in den Wigwams wieder der Hunger ein. Er ging mit seinen hundert Jahren auf seinem selbst geschnitzten Stock zu seinem Wigwam und sagte zu seiner Frau Abedabum, in der Sprache ihrer Väter, einen so schönen Sommer mit so wenig Mücken gab es noch nie. Auch die Alten an den Lagerfeuern in der Tundra erzählten nie von so einem warmen Sommer ohne Mücken. Das, was er zu seiner Frau sagte, konnte fast niemand mehr verstehen. Chochokpi und seine Frau hatten die Sprache der Ureinwohner noch von ihren Eltern gelernt, deren Gebeine schon vor langer Zeit in der Tundra vergraben wurden. Auf „aphasisch“ sagte er zu seiner Frau, jetzt kann ich in Ruhe sterben, dieses Jahr werden die Karibus dableiben und niemand braucht zu hungern. Er legte sich auf sein Lager aus Karibufellen, nahm die Hand seiner Frau Abedabum und starb. Seine Frau weinte lang, weil er, „der Thron der Wolken“, sie nach so langen gemeinsamen Jahren verlassen hatte. Ihre Kinder sind auch schon fortgezogen, in eine scheinbar bessere Welt. Nun musste sie die Sonnenaufgänge, die für ihr Volk nach der langen Winterfinsternis ein jährlich wiederkehrendes Wunder sind, ganz allein anschauen.

Der Koch im Gasthaus am See tröstete Abedabum, die er gut kannte, weil ihr Wigwam direkt hinter der kleinen Siedlung stand und versprach ihr immer für sie zu sorgen. Am See schaukelte ein Wasserflugzeug. Im Wald hatten die Bewohner dieser kleinen Ortschaft eine kleine, krumme Landepiste in den Wald geschlagen.

Davon wussten wir fünf Bergsteiger in der silbrigen Lufthansamaschine von München nach Anchorage, der Hauptstadt von Alaska, noch lange nichts. Grönland zog weit unter dem Flieger in zwölftausend Meter vorbei. Ein gewaltiger Eispanzer von Küste zu Küste. Nein, dort unten wollten wir nicht sein. Aber bald mit Tourenskiern am Eis des Denali „der Große“. Das war ursprünglich der Namen des Berges, wie Ihn die Athabasken Indianer immer schon genannt hatten. Die Regierung gab dem Berg jedoch 1898, ohne die Ureinwohner zu fragen, den Namen Mount McKinley, im Gedenken an den 25. US-Präsidenten William McKinley, der kurz nach Antritt seiner zweiten Amtszeit einem Attentat zum Opfer fiel. Erst im August 2015 gab Barak Obama, nach langem Ringen mit den republikanischen Kongressabgeordneten den Indianern symbolisch den alten Namen des Berges wieder zurück. Der Denali war und ist den Ureinwohnern als Thron der Götter heilig.

Bereits 1913 gelang dem Geistlichen der US- Episkopalkirche und Naturforscher Hudson Stuck mit seinen Gefährten die Erstbesteigung dieses 6190 m hohen Berges. Er hat in seinem Buch „The Acent of Denali“ die Besteigung beschrieben. Für die damalige Zeit sicher eine hervorragende Leistung. Der Gipfel ragt einsam aus einer eisgepanzerten Gebirgskette und zieht Stürme aus der Beringsee geradezu an.

Kein Indianer wäre jemals auf die Idee gekommen, seine Mokassin dort hinzusetzen und sich bei Schneestürmen und Eiseskälte die Zehen abzufieren. Es genügte ihnen an ihre Götter und Ahnen zu glauben, wenn Stürme mit weit über 100 km/h die Schneefahnen bis weit in die Tundra wehten.

Unsere Reise mit speziellen Freunden

1997 mit uns im Flieger war auch Thomas Bubendorfer, der sich ganz nach seiner Art vom Kapitän persönlich in die erste Klasse rufen ließ.

Noch ein Innsbrucker war im Flieger: Mein ehemaliger Hundeschlitten-Gefährte, Manfred Brida. Er hatte sich ganz dem Hundeschlittensport verschrieben und versuchte sein Auskommen in den Wäldern des Yukongebietes mit Schlittentouren für eine Schweizer Agentur zu finden. Die Wölfe dort sahen das nicht so gern und fraßen immer wieder seine Huskys. Im letzten Winter, erzählte er mir, hielt das Dach seiner Hütte den Schneemassen nicht mehr stand. Manfred musste mit seinem Mädel in der Sauna, die zum Glück nicht zusammengebrochen ist, einige Woche verbringen, bis sie endlich wieder bis zur Straße durchgekommen sind. 2019 wurde er Kajakführer im Golf von Alaska, wo ein herabbrechender Eisbrocken seinem abenteuerlichen Leben ein Ende setzte. Er ist mit seinem Kajak viel zu nahe an die Eiskante des kalbenden Gletschers herangefahren, der dort in der Nähe von Valdez ins Meer fließt.
Seine ehemaligen Kollegen von der Berufsfeuerwehr Innsbruck konnten ihn überführen und in Innsbruck zu Grabe tragen.

Mit Manfred bin ich in den 80er-Jahren fast jedes Wochenende zu Hundeschlitten-Rennen im In- und Ausland gefahren. Ich kann mich noch gut erinnern, als er mit seiner dünnen Husky Hündin bei mir in Pertisau auftauchte und sich über den Hundeschlittensport und insbesondere den Skandinavier Stil erkundigte. Ich selbst war damals schon recht erfolgreich, weil ich ganz gut Langlaufen konnte und meine zwei Hunde gut trainiert waren. Er war auch sehr sportlich, aber Langlaufen mit dem gewichtbeladenen Schlitten und dem vorgespannten Hund, ist nicht so einfach und erfordert sehr viel Training mit den vorgespannten Hunden. Er hatte das auch bald heraußen und konnte ebenfalls gute Platzierungen erzielen. Es dauerte nicht lang und Manfred erfasste vollends der Hundeschlittenvirus. Er kündigte bei der Feuerwehr seinen sicheren Job und verschrieb sich als Profi ganz diesem Sport. Allerdings nicht mehr mit der Pulka und einem Husky, sondern mit richtigen Schlitten-Gespannen, mit bis zu 14 Hunden.

Während der diversen Rennwochenenden, die alle zur offenen Europameisterschaft zählten, hatten wir es immer recht lustig. So todernst, wie so manche anderen Konkurrenten, nahmen wir die Rennen bei Weitem nicht. Um Geld zu sparen, übernachteten wir meistens in der Nähe des Renngeschehens, in einem Heustadel oder im Auto. Wenn es sehr kalt war, lagen meine zwei Huskys meistens bei mir am Bauch. Die bessergestellten Kollegen mit ihren Wohnwägen, schauten uns arme Schlucker zwar immer sehr mitleidig an, aber am Siegertreppchen waren fast immer wir vertreten – zwar in der kleinsten, aber durchaus sportlichsten Klasse des Hundeschlitten- Sports. Später war Manfred einige Zeit bei Hannes Gasser in Natters „Doghändler“ (Hundeknecht) und in der Folge auch als Bergwanderführer bei Gassers ASI- Reisen weltweit unterwegs. Danach versuchte er sich als selbstständiger Unternehmer in Galtür mit einem eigenen großen Gespann. Mitteleuropa wurde ihm schlussendlich zu eng. Er wanderte mitsamt seinen Huskys nach Kanada aus und errichtete im Yukongebiet ein Camp für Hunde- Schlittenfahrten mit Gästen.

Ohne Permit – unmöglich auf den Denali zu kommen

Wir fünf Bergsteiger aus Tirol fuhren Richtung Kanada und übernachteten in unseren riesigen Campingbussen an dem See, wo der Indianer Chochokpi seiner Frau Abedabum vom schönsten Sommer seines Lebens erzählte und daraufhin starb. Der See war tatsächlich so warm, dass wir darin baden konnten. Die vereinzelten Mücken waren leicht auszuhalten. Vom Koch des kleinen Gasthauses erfuhren wir, was der Indianer am Sterbebett seiner Frau gesagt hatte. Das war für uns geradezu schmerzlich, weil wir nicht auf den Denali durften. Nein, nicht der Berg selbst hatte es uns verboten, sondern sein allmächtiger Ranger- Wächter. Mit viel Hoffnung füllten wir in seinem Büro in Talkeetna die Formulare aus. Er selbst war gar nicht da, sondern überwachte am Berg im Medical Camp, ob alle Bergsteiger ein Permit haben. Wir konnten immer noch nicht glauben, dass der Ranger kein Einsehen hatte, wo wir doch schon auf so vielen hohen Bergen waren. Die zahlreichen Damenunterhosen, die in der Alaska-Bar über dem Tresen angenagelt waren, konnten uns auch nicht mehr erheitern. Aber wir bekamen so langsam eine Ahnung, auf was wir uns da eingelassen hätten. Auch als der Flieger zwei tote Bergsteiger herunterbrachte, die versäumten beim Kochen Luft in das Zelt zu lassen. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, was mir Ulli zu Hause ohnehin schon gesagt hatte, dass das Permit schon Monate vor Antritt der Reise hätte vorliegen müssen. Ohne amerikanischen Bergführer geht mittlerweile gar nichts mehr. Kein Wunder, bei den vielen Unfällen mit zahlreichen Toten. Der Denali zählt, als höchster Berg des amerikanischen Kontinents, auch zu den „Seven Summits”, was den Ansturm von Bergsteigern mit kaum Höhenerfahrung natürlich noch einmal anheizt. Der geringere Luftdruck in der Polarregion, hervorgerufen durch die Erdrotation, macht sich sehr stark bemerkbar. Die Gipfelhöhe von „nur“ 6190 m, verleitet viele dazu, den Berg zu unterschätzen.


Ulli war 1995 mit Edi Koblmüllers Bergspechten am Gipfel und erzählte mir, dass sie sich beim Gipfelgang ganz ordentlich die Finger gefroren hatte. Ulli hatte am 3. Juli 2007 in Pakistan beim Besteigungsversuch am Gasherbrum II (8035) ein Lungen- Höhenödem erlitten und ist leider daran verstorben. Sie war im 42. Lebensjahr. Edi ist in Georgien am 15. April 2015 in einem Höhensturm am Kasbeck (5047) beim Abstieg kurz vor der Hütte gemeinsam mit seiner Bergkameradin erfroren. Er war im 69. Lebensjahr.

Ulli und Edi lernte ich 1994 in Marokko kennen. Edi leitete damals mit seiner Agentur „die Bergspechte“ eine ganz tolle Skitourenwoche im hohen Atlas, im Gebiet der Neltnerhütte. Vom höchsten Gipfel, dem „Djebel Toubkal“ mit immerhin 4167 m, sieht man sogar hinaus in die Sahara. Genau gegenüber steht der Doppelgipfel der Glochetons, mit seiner bis zu 40 Grad steilen Abfahrtsrinne. Noch steiler ist im oberen Teil die Abfahrt vom Gipfel des Biginouissene. Insgesamt waren wir in dieser Woche auf 12 hohen Gipfeln, alle so um die 4000 m. Immer mit super Firn und teilweise in den Schattenseiten sogar mit Pulverschnee.

Wenigstens der Flug zum Denali Base-Camp klappte

Die netten Mädels im Rangerbüro funkten zwar noch mit ihrem Chef am Berg, ob wir doch noch eine Chance hätten. Die Antwort war aber wie zu erwarten: „No!“ Er meinte, wir sollten wenigstens bis zum Basislager unter dem Mt. Hunter fliegen.

Dort, im ersten Camp konnten wir zuschauen, wie die Besteigungsaspiranten das erste Mal in ihrem Leben mit Steigeisen an den Füßen Gehversuche machten und sich dann mit den schweren Schlitten abmühten. Sieben Tage ist das untere Limit, das für die Besteigung veranschlagt werden soll. Das ergibt sich aus der Notwendigkeit, zumindest eine sehr steile Passage zwei Mal zu gehen. Mit ca. 50 kg Ausrüstung ist auf jeden Fall zu rechnen. Das erklärt auch die Notwendigkeit, einen Schlitten zu verwenden.

Basecamp Denali

Basecamp Denali

Wieder zurück am Flugfeld in Talkeetna, war Bubendorfer mit seiner Ausrüstung beschäftigt, würdigte uns Landsleute aber mit wenig Beachtung. Vermutlich hatte er gesehen, dass wir zwar Tourenski mithatten, aber sonst fast nichts, was für diesen kalten Berg notwendig gewesen wäre. Später konnte man nachlesen, dass aus seiner geplanten Extremtour auch nichts geworden ist.

Nächste Station Kluane National Parks

Nun saßen wir an diesem wunderbaren See, die wenigen Mücken waren auszuhalten. Die sechs Bewohner dieser einsamen Siedlung mussten zum Einkaufen, stiegen in ihr Wasserflugzeug und ließen uns traurige Bergsteiger allein zurück.

Alaska Highway

Kluane See

Paul vom Tiroler- Reisebüro in Innsbruck hat uns zwar sehr günstige Flugtickets beschafft, aber von der Besorgung der Permits für den Denali hatte er sich trotz mehrfacher Nachfrage herausgehalten. Vermutlich wusste er es schon, dass man nur mit einem einheimischen Bergführer auf den Gipfel darf. Wir hatten schon zu Hause als Ersatzziel den höchsten Berg von Kanada, den Mt. Logan mit 5959 m ins Auge gefasst.

Mit dem Mt. Logan wurde leider auch nichts

Wir fuhren also über den Alaska Highway Richtung Kanada, nach Haines Junktion, am Westende des Kluane Sees. Dieser kleine Ort, mit derzeit 600 Einwohnern entstand 1942 am Abzweig zur Haines Road, als Basis für die Ingenieure und Arbeiter, die mit dem Bau des Alaska Highways beschäftigt waren. Zeitweise waren bis zu 20.000 Arbeiter und Soldaten im Einsatz. Im sehr schön ausgebauten Visitor Center trugen wir unseren Wunsch einer ganz netten Deutsch sprechenden Dame vor. Wie sich herausstellte, war sie aus Düsseldorf und ist in diesem kleinen Ort vor Jahren hängen geblieben.

Mt. Logan 5959 m

Der zuständige Park Ranger erklärte uns anhand einer Karte, was für Dimensionen die Gletscher dort oben haben. Hanspeter und Peter winkten gleich ab als sie vom sieben Kilometer langen Grat in über 5000 m Höhe, vom Vor- zum Hauptgipfel erfuhren. An die 100 km weit ist der Weg vom Base-Camp, über einen gefährlichen Gletscher mit riesigen Spalten, bis zum Gipfelgrat und wieder zurück. Er erklärte uns, dass niemand mehr oben ist, der Flugdienst bereits eingestellt ist und die weiten Gletscherflächen wegen der riesigen offenen Spalten nicht mehr begehbar sind. Wir hätten es wissen müssen, aber nun sind wir einmal da, im Gebiet der Icefeld Ranges des Kluane Nationalparks.

Das Ersatzziel – der Kaskawulsh Glacier – ein Traum

Die Rettung kam am Abend bei einem Gitarrenkonzert eines der besten Solisten Kanadas, in einem Zelt neben dem Visitor Center. Die nette Dame aus Düsseldorf verriet uns, dass am Ende des Kluane Sees bei einer biologischen Station ein Pilot ist, der uns eventuell weiterhelfen könnte. Es war Andi Williams, der gegen gutes Geld bereit war, uns auf den Gletscher zu fliegen. Zwar keinesfalls zum Logan, aber in der Nähe auf ein Plateau des südlichen Kaskawulsh Glaciers, wo es auch schöne Skitouren Möglichkeiten geben soll.

Er setzte uns am nächsten Tag in zwei Etappen am Südarm des Kaskawulsh Gletschers ab. Ein ganz flacher Gletscherboden in der Nähe des Pinnacle Peak, der wie ein kleines Matterhorn aus dem riesigen Gletscher ragt. Ich durfte vorne sitzen und sah beim Landeanflug, dass der Pilot sehr viel Routine braucht, um im gleißenden Licht die Distanz zum Boden richtig einzuschätzen. Alles ging gut und wir waren nach seinem zweiten Anflug mit Hanspeter, Peter und Christian allein auf dieser riesigen Gletscherfläche.

Er trug uns auf, jeweils um 17:00 Uhr mit dem Funkgerät, das er uns noch in die Hand gedrückt hatte, mit ihm zu funken. Das schreibt auch die Parkverwaltung vor, um im Unglücksfall Hilfe herbeirufen zu können. Die 40 m lange Dipol- Antenne des HF- Einseitenfunkgerätes sollten wir auf Stöcken über den Schnee spannen. Bereits der erste Versuch, Kontakt aufzunehmen, schlug fehl. Es meldete sich niemand. Ja, dann halt am nächsten Tag. Es meldete sich auch an den folgenden Tagen niemand. Alle Drahtverbindungen wurden neu zusammengedreht. Aber es rührte sich nichts. Wir gaben nicht auf, hatten aber nie irgendeinen Kontakt. Erst bei der Rückreise sind wir auf die Ursache draufgekommen. Wir hatten verabsäumt, nach der Fahrt über den Alaska Highway von Alaska nach Kanada, die Uhren auf die kanadische Zeitzone umzustellen.

Für die Zelte gruben wir tiefe Mulden in den Schnee, um bei den zu erwartenden Stürmen von der Alaska Bay einigermaßen geschützt zu sein. Aber die Schneemauern waren dann doch auf der falschen Seite, weil der Wind von Norden gekommen ist.
Mein neues sturmfestes North Face Zelt, das ich mir extra für den Denali gekauft hatte, war schnell aufgestellt. Unsere Kollegen ließen sich mehr Zeit. So starteten Ruppi und ich gleich auf einen Gipfel direkt hinter dem Lagerplatz.

Von dort hatten wir eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Berge, inmitten dieser riesigen Gletscherfläche. Eine der größten außerarktischen zusammenhängenden Gletscherflächen weltweit. Der nächste mögliche Skitouren-Gipfel war gleich ausgemacht – unmittelbar westlich unseres Lagerplatzes. Als wir nach tollen Schwüngen in der Mitternachtssonne zurückkamen, hatten Hanspeter und Christan ihr Zelt auch schon eingegraben. Peter, der allein hausen musste, kämpfte immer noch mit dem nicht passenden Über-Zelt. Dieses Zelt hatte er von einem Kollegen geliehen, der damit beim Everest war, es aber offensichtlich auch nie aufgestellt hatte. Auch Peter hatte es verabsäumt, das Zelt zu testen. Das hätte am Denali oder am Logan nicht gut ausgeschaut.

Mt.  Disappointment – mit Ski auf die Viertausender

Zwischen riesigen Gletscherspalten hindurch, erreichten wir am nächsten Tag einen kleinen Sattel und von dort, sehr steil über einen Firngrat, den Gipfel des Mt. Disappointment. Im Hintergrund konnten wir die hohen Berge der westlich gelegenen Bergkette bestaunen. Insbesondere den Mount Augusta, den Mount Kennedy und den Mount Vancouver. Alles hohe Viertausender.

Der Mount Saint Elias mit 5489 m liegt ebenfalls in dieser Gebirgskette, aber weiter westlich am Golf von Alaska. Dieser Berg ist durch den Film „Die längste Skiabfahrt der Welt“ bekannt geworden. Der Kitzbühler Extrem-Skifahrer Axel Naglich, Peter Ressmann und der Kanadier John Jonson waren beim ersten Versuch im Mai 2007 die Protagonisten. Red Bull stand als Sponsor hinter dem Projekt und ermöglichte nach einem wetterbedingten Abbruch einen zweiten Versuch. John Jonson hatte die Schnauze voll, weil sie nur knapp einer Katastrophe entgangen sind. In einem nur ganz kurzen Wetterfenster konnten sie gemeinsam per Flugzeug evakuiert werden. Den zweiten Versuch starteten Axel und Peter bereits im August des gleichen Jahres. Sie wurden vom bekannten Kletterer und Kameramann Beat Kammerlander und Volker Holzner als unterstützender Bergführer begleitet. Sie mussten wilde Stürme und eisige 55 Grad steile Flanken mit den Skiern meistern. Ein toller Film, natürlich publikums-wirksam mit sehr viel Dramaturgie geschmückt.

Peter Ressmann gründete 44-jährig daraufhin die Agentur “Alpine Experts”. Bei einem Abseilmanöver mit seinen Gästen, ist er 2012 auf tragische Weise, durch einen saublöden Fehler beim Umhängen seines Sicherungs-Karabiners, tödlich abgestürzt.

So steile und eisige Flanken mussten wir von unserem ersten gemeinsamen Gipfel nicht befahren. Der schmale Grat hätte zwar auch keinen Fehler erlaubt, aber der aufgefirnte Schnee trug uns sicher hinunter zum Sattel und weiter zwischen den riesigen Spalten hindurch zum flachen Gletscherboden. Die Kocher wurden angeworfen und es gab jede Menge Tee und Suppe. Dieser sorglose Umgang mit dem White Gas (Leichtbenzin) sollte sich noch rächen.

Der nächste Tag führte uns zuerst hinein bis zum Fuß des sehr steil aufragenden Pinnacle Peak. Eine Besteigung kam schon deshalb nicht infrage, weil dazu die komplette Kletterausrüstung für Eis und Fels notwendig gewesen wäre. Recht sorglos zogen wir über den ewig langen, flachen Gletscher mit jeder Menge Querspalten. Dann ging es links hinauf auf einen unbenannten Gipfel, wieder mit toller Sicht, Richtung der gewaltigen Berge an der Alaska Bay.


Am nächsten Tag trübte das Wetter ein und Wind kam auf. Aber nicht von Westen, sondern von Norden. Die Funkversuche um 17:00 Uhr blieben weiterhin erfolglos. Andi wird es ohnehin schon aufgegeben haben, zur vereinbarten Zeit am Funkgerät zu sein.

Der Brennstoff wurde langsam knapp und das Wetter wurde zunehmend schlechter. Bei dieser Bewölkung hätte Andi sowieso nicht fliegen können. Aus Langeweile begannen wir eine Landebahn in den Schnee zu treten, um Andi bei schlechter Sicht eine bessere Bodensicht zu geben. Gut, dass dabei keiner in eine Spalte gestürzt ist. Wir hatten zwar ein Seil dabei, aber bei dem Nebel hätte es eine Weile gebraucht, bis wir gemerkt hätten, dass einer fehlt. Um Sprit zu sparen, versuchten wir am aufgespannten Biwaksack Wasser zu sammeln. Hanspeter und Christian hatten schon länger keine Zigaretten mehr. Neben ihrer Kreisspur die sie rauchend in den Schnee getreten hatten, wurden die weggeworfenen Stummel wieder eingesammelt und neu gewuzelt.

Im Zelt wurden die Liegeflächen auch immer tiefer. Ich hatte sehr viel Zeit, über den bisherigen Reiseverlauf nachzudenken.

Schon bei der Ankunft in Anchorage hatten wir ordentlich Glück. Schon vor der Landung mussten wir in einem Formular anführen, ob wir Lebensmittel mithaben. Natürlich hatten wir sogar ziemlich viel dabei, speziell für die Besteigung des Denali. In der Ankunftshalle packten wir dann alle Lebensmittel konzentriert in eine der Reisetaschen. Ich wurde beauftragt den Wagen mit den ganzen Taschen zum Ausgang zu schieben. Es dauerte nicht lang und eine nette Dame stoppte mich mit der Frage, was wir in Alaska vorhätten. Ja, wir wollen auf den Denali. Ob wir Lebensmittel dabeihätten? Nein, sagte ich treuherzig. Wir wollen alles hier einkaufen. Sie zeigte auf eine der fünf Eiblsäcke und forderte mich auf, diese zu öffnen. Gut, dass es nicht gerade die Tasche mit den ganzen Lebensmitteln war. Ruppi spähte durch den Schlitz der Ausgangstür und hatte auch schon kalten Schweiß auf der Stirn. Das hätte teuer werden können! Glück gehabt. So konnten wir sehr lang den mitgebrachten Speck und die anderen guten Sachen genießen.

Anchorage mit seinen kleinen Seen, voll mit Wasserflugzeugen war für uns schon eine andere Welt. Die vorgebuchten Campingmobile konnten wir problemlos abholen. Zu einer Bekannten von Ruppi sind wir dann auch noch gefahren. Sie lebte mit ihrem Mann etwas außerhalb, in einem ganz tollen neuen Haus. Hinsichtlich unserer Sorge wegen des fehlenden Permits hatten sie aber auch keinen Rat. So begaben wir uns auf dem Georg Parks Highway zu dem 900 Einwohner Ort Talkeetna, wo ein Kater namens Stubbs zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt wurde. Die Wähler konnten seinerzeit mit dem möglichen Kandidaten nichts anfangen. So wurde kurzerhand Stubbs Bürgermeister. Angeblich hat er in seinem langen Leben schon sehr viel Erfahrung gesammelt und genießt sein Amt im dortigen Supermarkt auf einem warmen und gemütlichen Platz. Nicht wenige Touristen fahren extra dorthin, um Stubbs zu besuchen.

Glücklich ausgeflogen

Andi hatte uns eine kleine Karte mitgegeben, auf der wir ungefähr sehen konnten, wo wir in dieser riesigen Gletscherwelt überhaupt waren. Nun begannen die ersten Diskussionen, was wir machen könnten, wenn das Wetter anhaltend schlecht bleibt und Andi nicht kommen kann. Ja, dann müssen wir halt zu Fuß hinaus zum See. Gut, dass es nicht so gekommen ist. Wir hätten sicher eine ganze Woche gebraucht.
Wir lagen im Zelt, als wir das Flugzeug hörten. Jetzt aber schnell alles zusammenpacken.

 
Andi bewegte sich keinen Schritt von seinem Flieger. Er wusste schon warum. Wir waren da eher sehr sorglos. Er hatte ein kleines Wolkenfenster genutzt, um uns zu holen. Peter, Hanspeter und Christian sprangen mit viel Gepäck in den Flieger und weg waren sie.
Ruppi und ich standen mit den Turnpatschen im Schnee und hatten so gut wie nichts mehr für eine weitere Nacht, hier heroben am Gletscher. Gut, dass Andi nach 2 Stunden wieder da war, sonst hätten wir alt ausgesehen. Bei der Landung ist ihm dann sogar der Hecksporn abgebrochen. Glück gehabt!

Bei unserem Flug konnte ich unsere mögliche Abstiegsroute genauer sehen. Zuerst ein grauslich zerrissener Gletscher mit einer Mittelmoräne. Dann ein sehr breiter, reißender Gletscherfluss. Unmöglich für uns den zu überqueren. Wir hätten auf einem Nebengletscher wieder weit hinauf müssen, um über das Gletschereis auf die andere Talseite zu kommen. Dann das ewig lange weglose und Bären verseuchte Slim River Tal hinaus bis zur Straße, mit der guten Aussicht von Grizzlys gefressen zu werden.

Am Flugfeld konnten wir vor der Weiterfahrt unsere Sachen einigermaßen trocknen und sortieren. Ruppi verabschiedete sich nur schweren Herzens von Elvira, einer blonden deutschen Biologin, die dort im Zuge einer wissenschaftlichen Untersuchung, den Einfluss der Klimaerwärmung auf die empfindlichen nordischen Fichten untersuchte.

Am massiven Abschmelzen der Gletscher im Bereich unter 2000 m ist jetzt die Klimaveränderung direkt zu erkennen. Der Slim River, der zu unserer Zeit noch ein mächtiger Fluss und einer der wichtigsten Zuflüsse des Kluane Sees war, ist 2017 buchstäblich über Nacht verschwunden. Der Wasserstand des Sees sinkt seitdem dramatisch. Der Abfluss des Kaskawulschgletschers fließt jetzt zum Erstaunen der Wissenschaftler in die Bering See. In neueren Reiseberichten kann man nachlesen, dass aus den ausgetrockneten Flächen durch die katabatischen Winde riesige Sandstürme aufgewirbelt werden.

 Goldgräber und Alpin – Fachmann Willi Pfisterer

Im Visitor Center in Haines Junktion, hat uns die Dame aus Düsseldorf schon vorher verraten, dass im Quill Creek ein österreichischer Veteran eine kleine Goldgrube betreibt. Wir hatten noch gut eine Woche Zeit, bis wir wieder in Anchorage am Flughafen sein mussten. Am westlichen Ende des Kluane Sees, in Burwash Landing, verabschiedete sich Peter, um die verbleibende Zeit noch zum Lachs-Fischen in der Nähe von Anchorage zu nutzen. Zum gebuchten Heimflug sollte er am Flughafen wieder zu uns stoßen.

Die Schotterstraße in den Quill Creek zweigt vom Alaska Highway Richtung Westen ab. Direkt bei der Abzweigung liegt neben ziemlich abenteuerlichen Hütten sehr viel rostiges Eisenzeug herum. Vermutlich Geräte und schwere Werkzeuge von aufgegebenen Goldgruben.

Der Wohnwagen von Willi Pfisterer steht direkt neben der schmalen Straße. Sein Empfang war anfangs ziemlich zurückhaltend. Erst als wir ihm vom Bohnen-Kaffee erzählten, wurde er zugänglich. Der Kaffee verbreitete bald seinen Duft und Willi wurde gesprächig. Er erzählte uns, dass er aus Dienten am Hochkönig stammt und in den schlechten 1950er Jahren ausgewandert ist und in den kanadischen Staatsdienst als Bergexperte einsteigen konnte. Einige seiner Landsleute hätten ihn ebenfalls schon besucht. Er wurde zunehmend gesprächiger, griff in den Hosensack und breitete eine ganze Handvoll Nuggets am Tisch aus. Dieses Gold im Hosensack ist sein Lebenselixier, erklärte er uns. Den Claim hatte er nach der Pensionierung von einem Indianer übernommen. Von ihm hat er auch das Goldwaschen gelernt. Seine Maschinen, dort neben dem Bach, haben nichts mit unserer romantischen Vorstellung vom Goldsuchen zu tun. Der Aushub wird mittels Bagger auf eine Anlage gekippt, die zuerst das grobe Material herauswäscht. Dann wird das feine Material mit viel Wasser über eine Rutsche geleitet. Dort verfangen sich hinter Stäben, die einen Wasserstrudel erzeugen, die Goldpartikel in einem grünen Teppich. Diesen Schlamm füllt er vorerst in Kanister ab.

Im Winter, wenn er wieder zu Hause in Vancouver ist, wird das Gold mit einer speziellen Zentrifuge herausgefiltert. Also keineswegs Nuggets, wie er sie uns zum Kauf angeboten hat. Christian und Ruppi kauften ihm zwei solcher Klunker als Mitbringsel für ihre Frauen ab. Er erzählte uns, dass der kanadische Staat sehr genau schaut, ob in den verschiedenen Claims auch wirklich entsprechend Gold gefördert wird. Ohne Nachweis von genügend Goldfunden werden die Claims rigoros entzogen. Wir wollten natürlich auch unser Glück versuchen. Goldwaschschüsseln hatten wir uns schon besorgt. Willi zeigte uns bereitwillig, wo eventuell im Schlamm neben dem Bach etwas zu finden ist. Tatsächlich leuchteten in der Schüssel immer wieder kleine Goldkörndln auf. Das hat uns sehr schnell süchtig gemacht. Einmal mussten sie mich geradezu vom Bach wegtragen, so war ich in die Goldwascherei vertieft. Wie man richtig das grobe vom feinen Material mit viel Wasser trennt, hat er uns vorher noch beigebracht.

Willi erzählte uns, nicht ganz ohne Schadenfreude, dass ganz hinten am Talschluss ein reicher Amerikaner schon eine Million Dollar investiert hat, aber noch nicht sehr erfolgreich war und noch weit im Minus steckt. Wir sollten uns das anschauen, meinte er. Tatsächlich war dort ein ganzer Berg von Schubraupen zerwühlt. Ein Stollen wurde von seinen Gehilfen auch schon in den Felsen geschlagen. So mit der Natur umzugehen, wäre bei uns undenkbar. Gott sei Dank! Mir ist, seit ich ein paar Goldkrümel herauswaschen konnte klar, dass ich dem Lockruf des Goldes auf keinem Fall folgen dürfte, sonst wäre ich ebenfalls rettungslos verloren.

Wir verbrachten eine weitere Nacht neben seinem Wohnwagen, versorgten ihn noch einmal mit Kaffee und Speck und fuhren nach einer herzlichen Verabschiedung über den Alaska Highway wieder zurück nach Anchorage.

Willi Pfisterer ist im Sommer 2010 – also 13 Jahre nach unserem Zusammentreffen – im Alter von 83 Jahren gestorben, aber nicht bevor seine Tochter begonnen hatte, seine Geschichten aufzuzeichnen. Die Tochter Susanne hat über sein Leben als Bergführer, Lawinenspezialist und Jasper National Park Ranger ein Buch veröffentlicht.

Im Vorwort schreibt sie: (übersetzt)
“Ich denke, er wäre wirklich glücklich darüber. Einerseits wollte er die Geschichte  veröffentlichen, andererseits denke ich, dass es ihn ein bisschen eingeschüchtert hat.”
Sie schreibt weiter:
“Der aus Österreich stammende Willi wanderte in den 1950er Jahren nach Kanada aus, um die Rocky Mountains zu erobern. Er blieb jedoch hier und wurde ein wesentlicher Bestandteil der Bergsicherheit in Westkanada und im Yukon. Er führte Kletterer auf die höchsten Gipfel und rettete sie aus gefährlichen Situationen.

Während seines langen Lebens im Westen wurde Willi eines der Gründungsmitglieder der Assoziation of Canadian Mountain Guides und der Canadian Avalanche Rescue Dog Assoziation. Während seiner Arbeit im Jasper National Park half er auch dabei, Schnee- und Lawinenprogramme voranzutreiben. Darüber hinaus bestieg Willi ungefähr 1.600 Gipfel und war an mehr als 700 Bergrettungen beteiligt – von der Lawinenrettung bis hin zum Verfassen der Unterlagen für das Management. All diese Tätigkeiten ermöglichten es ihm unzählige aufregende, aber manchmal verheerende Geschichten zu erzählen.

Bevor er starb, hatten wir viel aufgenommen und ich hatte eine Menge für das Buch gesammelt. Dazu gehörte das Schreiben von Briefen an verschiedene Parks, um festzustellen, ob sie Tonbänder oder verschiedene andere Informationen über ihn hätten, erklärt Susi. Das Schreiben hatte lange gedauert. Als er starb, hatte ich die ersten beiden Kapitel grob geschrieben, der Rest wurde danach zusammengesetzt”.

Im Laufe der Jahre hatten sich mehrere Autoren an ihn gewandt, um ein Buch über sein Leben zu schreiben, aber er zögerte stets, jemand anderen seine Geschichte schreiben zu lassen, bis Susi 2004 mit ihren beiden kleinen Kindern zum Jasper National Park zurückkehrte und ihn überzeugen konnte, dass sie dies für seine Familie tun sollte.

“Ich glaube, ich habe ihn verstanden”, sagte Susi, „ich denke, dass er sich Sorgen machte, dass es dann nicht ganz so sein würde, wie er es wollte, wenn es jemand aderer geschrieben hätte. Aber ich wusste, wie er es geschrieben hätte, also versuchte ich, dem so treu wie möglich zu bleiben.”

Während sich viele der in diesem Buch enthaltenen Geschichten mit der Rettung von Menschen aus gefährlichen Situationen befassen, handeln die Geschichten auch eingehender von den menschlichen Emotionen dieser Rettungskräfte und ihrem Tribut an ihn und seine Mitretter. “Ich denke, es zeigt die ganze Person und ich bin sicher, das wollte er tun. Er wollte nicht nur zeigen, was sie erreicht haben, er wollte auch auf die Schwierigkeiten hinweisen und was für sie emotional von Bedeutung war “, sagte Susi. “Ich habe Kommentare von Leuten erhalten, die überhaupt nichts mit Bergen zu tun haben. Das Buch führt sie in eine andere Welt.“

Schließlich noch das Erlebnis “Lachsfang”

Am berühmten Surdog-Camp Ground in Tok verwöhnte uns Ruppi mit seinem berühmten Apfelstrudel. Über Glanallen und den Tolsona Lake, fuhren wir wieder zu seiner Bekannten. Am Nachbargrundstück duften wir unsere Wohnmobile abstellen und übernachten.

Wir hatten noch einige Tage Zeit und fuhren Richtung Kenai, zuerst über den Jonson Pass nach Cooper Landing. Hanspeter wollte unbedingt noch was „Gescheites“ unternehmen. Der gut beschilderte Crescent-Lake-Trail als 2-Tages Tour bot sich an. Hanspeter meinte aber, wir Oberalpinisten müssen diese Tour in einem Tag schaffen. Immerhin 50 km, aber in einer landschaftlich einmaligen Gegend. In einer Hütte am See hatten sich schon Wanderer für die Übernachtung eingerichtet, Sie konnten nicht glauben, dass wir den Trail an einem Tag durchziehen wollten. Ein Einheimischer mit einem Kombi wollte uns freundlicherweise auf den letzten 5 Kilometern noch mitnehmen. Im Kofferraum hatte er einige große Lachse liegen.


Ruppi, der ja als passionierter Fischer vorsorglich das Angelzeug von zu Hause mitgenommen hatte, war gleich elektrisiert. “Im Russian River steigen sie gerade”, hat uns der freundliche Autofahrer noch verraten. Wir brachten mit glühenden Sohlen die letzten Kilometer auch noch hinter uns. Der Stolz ist ein Luder! Ruppi war nicht mehr zu halten, da muss er hin!

Am nächsten Tag waren wir bereits in aller Früh am Fluss und konnten sehen, dass am gegenüberliegenden Ufer die Fischer geradezu Schulter an Schulter ihre Angeln auswarfen. Ruppi ließ sich von nichts mehr abhalten. Mit der eigens eingerichteten Fähre konnte er übersetzen und sich dort einreihen.

Hanspeter, Christian und ich erkundeten inzwischen die Gegend und fanden ganz in der Nähe den einsamen Cooper Lake. Zum Glück ein leicht abgesenkter Stausee, mit einem breiten Uferstreifen, auf dem wir gut campen konnten. Sonst sind die Ufer der Seen in dieser Gegend kaum zugänglich, weil die Bäume bis zum Wasser stehen.

Ruppi erzählte uns am Lagerfeuer seine Erlebnisse beim Fischen und dass Lachsfischen doch seine Tücken hat. Mit seinem gewohnten Forellenknoten sind ihm einige mitsamt der Angel einfach abgehauen. Erst mit dem doppelten Knoten, den ihm seine Fischernachbarin gezeigt hatte, war er dann doch noch erfolgreich. Im Ufersand fanden wir beim Holzsammeln riesige Bärenspuren. Wir zogen uns schnell laut singend und pfeifend zum Lagerfeuer zurück, um ja keinen Bären im nahen Buschwerk zu erschrecken.

Byron Peak

Es blieben uns noch einige Tage für die Erkundung von Kenai. So beschlossen wir noch zum Portage Glacier zu fahren, um eventuell dort den Byron Peak zu besteigen. Christian wollte nicht mehr mit.

Ruppi und ich entschlossen uns diesen wunderschönen Berg jedenfalls anzugehen. Zuerst durch Staudenwerk, dann über einen gut zu begehenden Gletscherbruch und in der Folge über eine Firnflanke, erreichten wir nach 4,5 Stunden den Gipfel des Byron Peak.

Byron Peak

Die Heimreise

Die Wohnmobile konnten wir in Anchorage ohne besondere Probleme abliefern, weil gerade ein größerer Andrang war. Hanspeter kaschierte seinen kleinen Blechschaden am Heck mit etwas Dreck und kam so auch durch die Abnahme. In einem Räucherladen in der Stadt wurde noch der gefangene Lachs gegen geräucherten eingetauscht. Hanspeter kaufte zusätzlich noch ein und hatte damit in München ganz schöne Scherereien. Peter traf auch noch rechtzeitig am Flughafen ein. So konnten wir nach einem schönen Urlaub und tollen Erlebnissen die Heimreise antreten.

Dass wir, Ruppi Geiswinkler, Peter Wolf, Hanspeter Osl, Christian Hollaus und ich, nicht am Denali waren, konnte unsere Stimmung beim Heimflug nicht mehr trüben. Die tollen Skitouren am Kaskawulsh Gletscher, waren zwar kein Ersatz für das angepeilte Ziel, aber unfallfrei und gesund wieder heimzukommen, ist und bleibt doch das Wichtigste. Wenn wir uns etwas besser für den Denali vorbereitet hätten, wäre ein Gipfelerfolg bei diesem anhaltend schönen Wetter, wie es der Indianer Chochokpi gesagt hat, durchaus möglich gewesen. Aber ein schneller Skitourenberg ist der Denali auch bei besten Wetterverhältnissen nicht.

Es ist schade, aber auch verständlich, dass die Nachkommen der Ureinwohner die Lebensweise ihrer Väter nicht mehr pflegen wollen. Leider rutschen sehr viele in die Kriminalität ab, weil sie mit dem Überfluss nicht zurechtkommen. Sie landen vielfach als sogenannte „First Nation Peoples“ im Gefängnis und sind dann endgültig verloren. Es bleibt zu hoffen, dass den Kindern von Abedabum dieses Schicksal erspart bleibt und sie sich doch eines Tages ihrer Mutter annehmen, die jetzt ganz allein in ihrem Wigwam am See hinter dem Gasthaus leben muss.

Was blieb, war die Erkenntnis, Expeditionen im Ausland doch besser mit Profis zu unternehmen. Die tollen Reisen mit Edis Bergspechten, haben das bewiesen. Dass es aber mit sehr guter Vorbereitung doch möglich ist, hat meine letzte Auslandsreise nach Bolivien bewiesen. Hans Penz und Peter Strassnig aus der Steiermark luden mich 2004 ein, mit ihnen nach Bolivien zu fahren. Insbesondere Peter hatte sich akribisch vorbereitet. (In seinem Internettagebuch hat er die Besteigungen des Huayana Potosi (6088 m) und des Illimani (6439 m) super beschrieben.

PS:  Seit 1997 ist viel Zeit vergangen. Trotzdem ist es mir gelungen anhand der Bilder viele sonst verschüttete Erinnerungen zu Papier zu bringen. Mit Ruppis Stichwort-Tagebuch konnte ich abschließend doch noch einige Details einfügen, die sonst untergegangen wären. In neueren Reiseberichten ist nachzulesen, wie sich die Klimaerwärmung mit Trockenheit und Sandstürmen dort auswirken. Wir hatten das Glück, diese beeindruckende Gletscherwelt und das Umland noch einigermaßen unbeschadet zu erleben.

Klaus Brandmaier, am 26.09.2020

Categories: Höhenbergsteigen