Braun Toni

Published by Hubert Niederegger on

Alpinist und Künstler
31.07.1929 – 04.01.2007
Von Hubert Niederegger

 

Die Erinnerung an den Bergsteiger Toni Braun beginnt in einer Zeit, bei der wir noch mit Hanfseilen, Eisenkarabinern und in Kletterpatschen mit Filzsohlen (Manchon) klettern gingen. Wir hatten zum Anziehen eine Schnürlsamthose, ein Flanellhemd, einen dicken Pullover und manche hatten nicht einmal einen Anorak.

Tonis Bergsteigerlaufbahn begann 1945, also gleich  nach dem 2. Weltkrieg. Es war eine arge Hungerszeit, wir hatten aus diesem Grund auf einer unserer Touren im Gebiet der Nordkette, am Gleirscher Brandjoch, ein Schaf erschlagen, es über den Goetheweg geschliffen und wurden dann bei der Bodensteinalm von den Hirten gestellt und niedergeschlagen. Es war schlimmer als im Krieg.

Der damals noch nicht versicherte Brandjoch Ost Grat war Tonis erste Bergtour. Es war für uns ein tolles Erlebnis. Die erste richtige Klettertour gelang uns beiden 1946 in der Lafatscher Nordwand. 1947 machten wir zusammen elf Klettertouren, wobei mit der Martinswand begonnen wurde.

Ein Nachbar von Toni – Egon Horst – animierte ihn in diesem Jahr, bei einer Vereinstour der Gipfelstürmer ins Kumpfkar mitzugehen, was ihm dann sehr gut gefallen hatte. Wegen der bei diesem Klub stets anwesenden Kletterprominenz, wie Hermann Buhl, Kuno Rainer, Herbert Eberharter und viele andere, besuchten wir dann regelmäßig die Vereinsabende, wobei in uns immer noch mehr Begeisterung für den Alpinismus geweckt wurde. Im Herbst 1947, beim Stiftungsfest, wurden wir dann aufgenommen, wir waren somit ebenfalls „Gipfelstürmer“.

Die erste Erstbegehung gelang Toni Braun mit Ettore Bozzoni und mir in der Östlichen Sattelspitze Nordwand im September 1948. Weitere Erstbegehungen folgten mit der Kirchdach NW Wand mit Reinhold Geiger, der Geherenspitze NO Wand mit Robert Lanznaster und der Lamsenspitze NW Wand.

Auch niedere Wiederholungen waren damals noch genug zu machen. Toni gelang z. Bsp. die 6. Begehung der Südwandrisse am Schüsselkar Westgratturm (Jörg Simon). Beim ersten Versuch machten wir dort einen Verhauer – zwei Seillängen gerade hinauf – von dort wurde später (1987) die Route „Bayrischer Traum“ weiter geführt.

1951 gab es aber auch noch unbegangene Riesenwände, wie die Südwand des Pflerscher Tribulauns. Hermann Buhl meinte damals nach einem Versuch mit Rudolf Schiendl: „Uninteressant, nicht möglich, alles nur Dächer.“ Zu Ostern 1951, es gab noch viel Schnee in der Wand, wollten Toni und ich uns dieses Problem einmal näher ansehen. Bei Traumwetter stiegen wir ein und kamen fünf Seillängen hinauf, bis es nur mehr senkrecht weiterging und oben tatsächlich die von Hermann Buhl erwähnten gelben Dächer zu erkennen waren.

Auch Manfred Bachmann hatte es auf diese Wand abgesehen. Als wir ihm erzählten, dass sie „uns gehöre“, kam es zu einem „Gentlemans Agreement“ zwischen uns und Bachmann: Wir sollten den ersten Versuch in der Wand haben, egal wann, bei einem Scheitern ginge dann das Vorrecht an Manfred Bachmann über. Parallel dazu durfte er am Hechenberg Pfeiler zuerst einsteigen und anschließend hätten wir den nächsten Versuch zur Erstbesteigung bekommen. Ja, auch solche Fairness gab es zu dieser Zeit.

Am 7. Juli 1951 gelang Toni und mir der Durchstieg am Pflerscher Tribulaun in 10 Stunden Kletterzeit, wobei wir die 20 Holzkeile, von denen wir keinen einzigen gebraucht hatten, wieder nach Hause getragen haben. Ebenso erfolgreich war dann auch Manfred Bachmann am Hechenberg Pfeiler.

Wie Toni immer wieder sagte, sollte das Jahr 1952 der Höhepunkt in seinem Bergsteigerleben sein. Am 22. Juni gelang uns beiden in der Praxmarerkar Nordwand die Erstbegehung des direkten Ausstiegs (ca. 150 m) und am 20. Juli  die Erstbegehung des NO Pfeilers am Hochgleirsch.

 

Bei einem Urlaub in der Civetta im August dieses Jahres eröffnete Toni an der Westkante des Torre Trieste eine 100 m hohe direkte Variante. Ebenfalls durchstieg er die Civetta NW Wand (Solleder), die Busazza W-Kante und die Südwand des Torre Venezia.

Soweit ein kurzer Auszug aus dem Tourenverzeichnis von Toni Braun. Abgesehen von diesen klettertechnisch hochwertigen Bergfahrten, war Toni aber auch mit Leib und Seele Alpinist. Er konnte sich immer wieder für die Besteigung von Viertausendern in den Westalpen begeistern, machte unzählige Skitouren und Bergbesteigungen in allen Facetten zwischen Mt. Blanc und Wiener Wald.

Beim Versuch Toni Braun zu skizzieren, darf aber die Erinnerung an seine musischen Fähigkeiten nicht fehlen, die neben seinen alpinen Leistungen wesentlich zur Unvergesslichkeit meines Freundes beigetragen haben. Toni hat mit viel Liebe gemalt, herrliche Porträts angefertigt, Landschaften und Blumen gezeichnet.

Von unschätzbarem Wert für uns sind schon heute die einzigartigen Porträts von Kuno Rainer, Toni Mader und von Heli Franz, die in ihrer individuellen Aussagekraft die Charaktere der drei Gipfelstürmer in unwiederbringlicher Einmaligkeit ausdrücken. Tonis Liebe für die klassische Musik rundet das Bild des tiefsinnigen, feinfühligen Kameraden ab. Er war ein Bergkamerad von außergewöhnlicher Größe.

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