Große Zinne Comici zum 70er 26. August 2010

26. August 2010

Anstelle einer großartigen Geburtstagsfeier wollte ich, quasi als Abschluss meiner Tätigkeiten an großen Wänden, mir selbst ein nachhaltiges Geburtstagsgeschenk zukommen lassen. Ursprünglich war mein Plan mit Robert Troier, meinem Partner der ersten Stunde, mit dem ich auf viele meiner ganz großen Erlebnisse in den Felsen zurückblicke und der auch gleich alt ist wie ich, gemeinsam diese „Jubiläumstour“ zu unternehmen. Leider war Robert dann im Moment der Umsetzung nicht greifbar und so war ich froh, dass Bruno Berloffa, ein Kamerad aus dem Kreise der Gipfelstürmer, sofort mit Begeisterung dabei war um mit mir das „Geburtstagsgeschenk zu zelebrieren“. Es sollte ein traumhaftes Erlebnis werden, das in seinem emotionalen Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Um 7h früh waren wir beim Einstieg, da war bereits eine Seilschaft in der Wand und drei weitere kamen noch nach. Mit uns beiden waren 10 Leute in der Comici, an einem strahlenden 26. August, ist dies sicher keine Seltenheit. Auch die Tatsache, dass die Kletterer aus aller Herren Länder in diese Wand kommen, wurde mir an diesem Tag so richtig bewusst. An den Standplätzen konnte ich immer wieder meine Kenntnisse in Italienisch, Französisch und Englisch etwas aufbessern. Man tauscht Kommentare über die gerade zurückgelegte Seillänge aus und erfährt dabei woher die Kletterer kommen. Da stand ein französisch sprechender Bergführer neben mir, der seinen englisch sprechenden Partner voraussicherte. Wenn Bruno nachgekommen war, stieg er gleich hinter dem Schweizer nach. Die unter uns kletternde Seilschaft kam aus Belluno und so ergab sich die nächste Unterhaltung beim Sichern in Italienisch.

Besonders eindrucksvoll gestaltete sich immer wieder der Blick in die direkte Nordwand, in der auch drei Seilschaften kletterten. Mit Genuss erinnerte ich mich an unsere Begehungen der Brandler-Hasseführe und der Sachsen-Direttissima, wo wir noch unter den frühen Wiederholern waren. Hier vom bequemen Standplatz nach der zweiten schwierigen Seillänge – am sogenannten „Hund“ – hat man einen geradezu dramatischen Einblick in die einzigartige, überhängende Wölbung der Großen Zinne-Nordwand.

Die Erinnerung an meine erste Durchsteigung der Comici-Führe 1958 zeigte mir deutlich was sich während dieser Zeit geändert hatte. Damals war ich die ganze Tour vorausgeklettert und hatte nicht den Eindruck, einen besonders schwierigen Anstieg bewältigt zu haben. Wir hatten damals unsere „Fiffis“ (Steigleitern) stark im Einsatz und haben nicht gezögert, uns an den Haken zu halten und diese zur Fortbewegung zu nutzen. Jetzt, 2010, schaut die Sache ganz anders aus. Schon die zweite Länge weist eine Stelle auf, die mit VII bewertet ist. Da war ich ehrlich froh mich am Haken halten zu können – ohne Leitern stellt sich die Sache wesentlich schwieriger dar.

Es war echt eine traumhafte Stimmung. Keine Wolke am Himmel, kein Wind und eine angenehme Temperatur an diesem Sommertag mit ausreichend langer Tageszeit. Wir hatten nur einen Rucksack dabei, den wir beim überschlagenden Führen immer wieder wechselten. Wenn die notwendigsten Utensilien von zwei Leuten in einem Rucksack vereint sind, dann ergibt das doch ein ansehnliches Gewicht. Das verspürte ich jedes Mal beim Nachsteigen. So ergab es sich, dass mir das Vorausklettern leichter erschien, als hinterher mit dem Rucksack nachsteigen zu müssen.

 

 

 

Nach den sieben schwierigen Seillängen machten wir Rast auf dem großen Band. Wir ließen zwei Seilschaften voraus und machten uns anschließend ganz gemütlich an die Ausstiegsrisse. Dieser obere Wandteil weist auch noch einige kräfteraubende Seillängen auf. Jedenfalls spürte ich die Länge der Tour in meinen Knochen. Auch der große Quergang im oberen Bereich ist mir diesmal schwieriger vorgekommen als 1958. Hier war es aber nicht die Klettertechnik, die anders geworden ist, sondern einfach die Müdigkeit, die ich nicht mehr verleugnen konnte.

 

 

 

Am Nachmittag erreichten wir das Ringband, wo wir uns in der Sonne eine ausgiebige Rast mit feiner Jause gönnten. Ein Traum wurde zur Realität. Obwohl ich schon längere Zeit keine so große Tour mehr gemacht hatte, war es gelungen, eine der eindrucksvollsten Wände der Dolomiten noch einmal mit einem Kameraden in überschlagender Führung, wie in alten Zeiten, problemlos durchzuklettern. Mein inniger Dank richtete sich an Bruno, der für dieses Erlebnis ein idealer Partner für mich war. Es spielte sich alles in unübertroffener Harmonie ab und führte somit nicht nur zu vollkommener innerer Befriedigung, sondern auch zu neuem Planungshorizont, nämlich in Zukunft nur mehr „Plaisirtouren“ zu machen, weil ich mir selbst bestimmt nichts mehr beweisen werde müssen.

Jedenfalls war ich mir sicher, mit keiner anderen Feierlichkeit hätte ich meinen 70er intensiver erleben können.

Categories: Alpinklettern

Walter Spitzenstätter

Walter Spitzenstätter

Walter ist als Tourenwart dafür zuständig, dass am Ende jeden Jahres die Tourentätigkeit unserer Mitglieder erfasst und archiviert wird. Dabei ist er auf den Fleiß der Kameraden angewiesen, die ihre Bergfahrten aufschreiben und als Liste abgeben sollten. Die meisten machen sich die Mühe und halten die Erfolge des Jahres fest, damit auch unsere Nachkommen noch erfahren können was in unserer Zeit im alpinen Bereich geschehen ist.