Lessiak Sepp

Published by Walter Spitzenstätter on

Porträt eines Künstlers

Dass die Gipfelstürmer gute Alpinisten sind, ist wohl bekannt. Dass es andere Fähigkeiten gibt, die bei einzelnen Kameraden besonders ausgeprägt sind, ist durchaus vorstellbar. Wenn wir stolz auf die Riege unserer Künstler blicken, dann wird deutlich, dass wir eine Anzahl begabter Leute in unseren Reihen haben. Dies trifft besonders für die Malerei zu, denken wir nur an Namen wie Leopold Scheiring, dessen Werke hohe Anerkennung gefunden haben und heute im Kunsthandel satte Preise erzielen.

Handwerkliche Kunstfertigkeit bewiesen schon unsere Gründerväter, indem sie das Gipfelstürmer-Wappen selbst entworfen und auch in Übergröße kunstvoll gefertigt haben.

Auch in der Musikszene lassen sich Beispiele anführen, die unsere Altvorderen eigens für die Gipfelstürmer komponiert und auch getextet haben. Sowohl der Gipfelstürmer Cantus als auch das Gipfelstürmerlied wurden von Toni Plattner geschaffen. 

Mitten drin im Alpenland  liegt meine Heimatstadt,
ringsum manche Felsenwand, gekrönt von Turm und Grat.
Es zieht mich hin zu den Bergeshöh`n, in die Welt von Fels und Eis:
Dort oben ist das Leben dreimal so schön. Im Reiche des Edelweiß!

Refrain:   Wir Gipfelstürmerkameraden bleiben den Bergen treu!
In guten und schlechten Tagen, ganz einerlei!
Ob die Sonne vom strahlenden Himmel lacht,
ob der Sturmwind braust durch die Bergesnacht!
Hei! Das ist uns einerlei! Wir bleiben den Bergen treu!

Besonders stolz sind wir auf unseren Kameraden Seppl Lessiak, der mit der Karikatur eine ganz spezielle Ecke künstlerischen Schaffens bedient. Als technischer Zeichner hat er seine Begabung für bildnerische Gestaltung wohl einsetzen aber bei weitem nicht  ausleben können. Seppls Stärke ist sicherlich das seltene Zusammentreffen von Zeichenkunst und fantasievollem Einfallsreichtum auf höchstem Niveau. Im Falle einer außergewöhnlichen Situation, von der man ihm ausführlich berichtet oder die er selbst erlebt hat, beginnt seine Vorstellungskraft auf Hochtouren zu arbeiten, um das Geschehene mit seiner „spitzen Feder“ zu Papier zu bringen.

Für jeden Betrachter ist es eine wahre Freude zu sehen, wie viele Details Seppl in der Lage ist, sich dem Anlass entsprechend einfallen zu lassen. Sowohl die Figuren wie auch deren Handlungen sind immer klar erkennbar und zeigen in erwartungsgemäß übertriebener Form, die jeweils angeprangerte Situation.

Vielleicht hat Seppl bei seiner Entwicklung als Karikaturist Inspiration aus den Werken unserer alten Gipfelstürmer geschöpft, wenn er sich die Zeichnungen in unseren Klubbüchern angeschaut hat. Dabei denke ich insbesondere an die vortreffliche zeichnerische Darstellung von Ossi Schmidhuber als „King of Karwendel“ in Form eines Denkmals, die sein Bruder Hannes angefertigt hat. Eine Tafel mit der Aufschrift „Aber nit unifetzen“ zeigt, welch hintergründiger, wenngleich offen ausgesprochener Humor in diesen Werken umgesetzt wurde, der uns jedes Mal aufs Neue begeistert, wann immer wir darauf zu reden kommen.

Auch Seppl benützte in seinen Darstellungen neben den Zeichenkünsten in Schwarz-Weiß aber auch in Farbe, die Sprache zur Vervollkommnung der Pointen.  Die dazu verwendeten Sprechblasen waren entweder mit Originaltexten oder Worten des Künstlers gefüllt, die der Karikatur ähnlich, treffend überzeichnet waren.

Immer wieder hört man von kompetenten Leuten, dass es wahrlich ein Jammer sei, dass Seppl nicht versucht, sein Talent in bare Münze umzusetzen. Er wäre sicherlich in der Lage, jede heikle Besonderheit so darzustellen, dass der Beschauer nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch zum Nachdenken angeregt wird.

Wenn ich nun versuchen möchte, meinen Kameraden Sepp Lessiak zu porträtieren, dann bleibe ich zunächst an dieser nicht wahrgenommenen Verdienstmöglichkeit hängen. Gerade deshalb setze ich meine Betrachtungen hier an: Seppl ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Mensch – vor allem aber ein Vorzeige-Gipfelstürmer, der in hohem Maße alle jene Eigenschaften besitzt, die bei uns so geschätzt werden.

Schon von früher Jugend an mit den Bergen verbunden, fand er bei den Gipfelstürmern Freunde, die seine Ideale zu leben suchten. Hier traf er völlig unterschiedliche Charaktere, von denen jeder irgendwie anders „gewickelt“ war. Trotzdem hatten alle das Gefühl, dass wir zusammengehören, weil wir in erster Linie die Berge im Kopf hatten und dabei frei von allen Zwängen unseren Weg gehen wollten, ohne von allzu viel Vorschriften eingeschränkt zu werden. Wahrscheinlich wird es genau dieses Freiheitsdenken sein, das Seppl seinen Lebensweg in so beneidenswerter Weise finden ließ. Er fand einen Beruf, der es ihm möglich machte, ausreichend für seine Familie zu sorgen und zudem in seiner Freizeit alles unternehmen zu können, was ihm einen Grad an Fitness vermittelte, die ihm große Erlebnisse in den Bergen ermöglichte. Der erforderliche Zeitaufwand für einen Zusatzverdienst durch professionell vertriebene Karikaturen kam für Seppl offenbar nicht in Frage – jede freie Minute hinaus ins Freie, laufen, klettern, Rad fahren – das war die Devise . . .

1975 Stubaier Staffellauf Lessiak, Schoißwohl, Grömer, Köck

Vor allem Ausdauer war für Seppl besonders wichtig. Seine Erfolge als Langläufer, zu jener Zeit als in unseren Breiten noch kaum jemand auf den Loipen zu sehen war, habe ich immer bewundert. Diese Art der Fortbewegung mit den leichten, schmalen Latten hatte er auch für unsere Überschreitungen im Winter propagiert und umgesetzt. In diesem „hochalpinen Loipes-Stil“ haben wir praktisch alle Gipfel der Kitzbühler Alpen überschritten. Seppl, Robert und Roman haben mich damals oft so gefordert, dass ich manchmal glaubte die Gipfel-Runde nicht mehr fertig zu bringen. Seppls Kondition und Kraft beim Laufen war für normale Wintertouristen eine wahre Herausforderung.

Nicht nur gefühlt gute Kondition war bei Seppl sichtbar, sondern auch richtige Bestätigungen holte er sich durch starke Leistungen bei Volksläufen und großen Langlauf Bewerben im In- und Ausland. Neben seinen 10maligen Teilnahmen am Geierlauf denkt Seppl noch gerne an seine Erfolge bei den anstrengenden Veranstaltungen zurück:

1977   Sieg mit Partner Isidor Nösig         beim Wildsaurennen vom Lisenser Fernerkogel
1978   Sieg mit Partner Hans Miller          bei der Gara Sci Alpina (Seealpen) Categoria „Cittadini“
1979   Sieg mit Partner Robert Troier       beim Immenstädter Ski-Cross / Tourenklasse
1982   Sieg mit Partner Peter Spielmann beim Immenstädter Ski-Cross / Tourenklasse
1986   Sieg mit Partner Peter Spielmann bei der Gara Sci Alpinistica del Monte Canin / Classe „Civile“

Ähnlich ausdauernd zeigte sich Seppl auch beim Klettern. Nachdem er viele große und schwierige Anstiege erfolgreich gemeistert hatte, entdeckte er auch hier – wie beim Zeichnen – seine Liebe zum Detail und zur Perfektion. Die Martinswand mit ihrem idealen Gelände für kurze bis mittlere Längen in jeder Schwierigkeit, hat es ihm angetan. Systematisch suchte und fand Seppl immer wieder neue Wege im Bereich des Vorbaus und auch bis hinauf in den oberen Wandteil. Weiß Gott wie viele Stunden Putzarbeiten hier im „Rohgelände“ notwendig waren, bis wieder eine Route sauber geklettert werden konnte.

Zunächst gab es von Seppl, neben jeweils ausgezeichneten Routenskizzen, auch ortsbezogene Namen für seine Neutouren, wie: Kaiser Max Spätlese (VI+  2002), Maxls Krone (VII-  2004), Maxls Gamsrevier (VI  2006). Später konnte man aus den kreativen Namen wohl auch Rückschlüsse ziehen, was sich bei der Erstbegehung Spezielles ereignet hatte. Die Bronchitis (V+  2009) und die Rucola (VI-  2012) sind Beispiele dafür.

Immer wieder hört man von Erstbegehern großer Wände, dass es eine wahre Kunst sei, eine machbare Linie durch eine Wand zu finden, die sich elegant über schwierigstes Gelände, gerade noch kletterbar vom Einstieg bis zum Endpunkt (heute nicht immer ein Gipfel) zunächst nur gedacht, später dann frei zu klettern ergibt. Neben großer Erfahrung muss hier tatsächlich geistige Innovation und Gestaltungsfähigkeit einfließen, wenn eine Neutour nicht nur irgendwo, irgendwie durchfinden, sondern neben einer eleganten Linie eine schöne, vielleicht sogar genussvolle Kletterei ergeben soll, die viele Wiederholer anziehen wird.

Seppl Lessiak ist genau in diese Gruppe von begabten Menschen einzureihen, die jene Fähigkeiten in sich tragen, deren Anwendung meist zur Vollendung eines Kunstwerkes führt. Wenn auch die Eröffnung besonders eleganter Kletterlinien nicht als Kunstwerke bezeichnet werden, so wird spätestens bei der Betrachtung der Skizzen und Karikaturen von Seppl klar, dass wir mit ihm einen wahren Künstler in unseren Reihen haben, dem weder diese Bezeichnung noch eine entsprechende Entlohnung etwas bedeuten – eben ein echter Künstler, der nur seine Inspiration zu Papier bringen will, egal wie hoch oder wie intensiv die dafür zu erwartende Bewunderung ausfällt.

 

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Walter Spitzenstätter

Walter Spitzenstätter

Walter ist als Tourenwart dafür zuständig, dass am Ende jeden Jahres die Tourentätigkeit unserer Mitglieder erfasst und archiviert wird. Dabei ist er auf den Fleiß der Kameraden angewiesen, die ihre Bergfahrten aufschreiben und als Liste abgeben sollten. Die meisten machen sich die Mühe und halten die Erfolge des Jahres fest, damit auch unsere Nachkommen noch erfahren können was in unserer Zeit im alpinen Bereich geschehen ist.