Die „Gelbe Verschneidung“ an der Klobenjoch Südwand

Published by Josef Rubisoier on

1. Winterbegehung am 13. März 1976

Die über 100m hohe „Gelbe Verschneidung“ am Klobenjoch wurde 1967 von Willi Brandmayr und Werner Böck (mit einem Schlingenbiwak oberhalb des Abschlussdaches) erstmals durchstiegen. Die beiden erfolgreichen Jenbacher Kletterer durchstiegen bereits im Alter von 17 Jahren beispielsweise die Comici an der Großen Zinne und auch die Cassin an der Westlichen Zinne. Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen durch Jenbachs „lokaler Kletterelite“ die Gelbe Verschneidung zu durchsteigen, gelang dies erst der Seilschaft Brandmayr & Böck.

Die Schwierigkeitsbewertung der Klobenjoch-Gelben Verschneidung war dazumal VI A2, sie wird heute streckenweise mit 7A+ bewertet und wurde später mit Bohrhaken abgesichert.
Ich weiß nicht, wie oft wir Freunde schon unschlüssig und angstvoll am Einstieg dieser berüchtigten, doppelt überhängenden Verschneidung gestanden sind.

Aber heute ist alles anders, Burkhard und ich wollten die 1. Winterbegehung, trotz der winterlicher Kälte durchführen. Das Spiel beginnt mit dem Verlassen des geschlossenen 8 Meter Kamins. Von hier zieht eine Reihe schlecht sitzender Haken zu einem bauchigen Überhang hinauf. Burkhard schlägt Haken nach, oder bessere hinzu. Die neuerdings mitgenommenen Klemmkeile erweisen sich unerwartet als zusätzliche Hilfe. Nach einer Stunde ist die erste Seillänge geschafft. Langsam steige ich nach, zuerst durch den geschlossenen Kamin, dann durchs Loch hinaus ins Freie. Bei der Ansicht mancher Holzkeile (Brettchen) die noch von Versuchen von Kaspurz und Co. aus den frühen 60er Jahren stammen, kann man das Fürchten lernen. Das Material ganz schonend belastend, komme ich höher zum ersten Schlingenstand. Fast schulmäßig richten wir unseren Stand ein, zum Glück haben die Erstbegeher die Stände mit je zwei Bohrhaken (Stubai 7mm) eingerichtet. Burkhard steigt, von mir mit der Stichtbremse gesichert schon höher, zuerst etwas rechts abweichend, dann wieder in die Verschneidung zurück. Vereinzelt fehlen mehrere Haken, sie sind wahrscheinlich von selbst herausgefallen und es müssen erst wieder neue platziert werden. Hammerschlag ertönt von oben, nachschlagen – neu setzen – vorsichtig belasten, das sind die Prioritäten an diesem Nachmittag. Fast verzweifelt drischt Burkhard auf die Nägel ein, die mehr „moralisch“ halten. Wenn hier ein Glied bricht, geht es ähnlich eines Reißverschlusses bergab. Diese oder ähnliche Gedanken habe ich mir während des Unternehmens ganz aus dem Kopf geschlagen. In vollster Konzentration hänge ich im Stand – Angstschweiß rinnt mir trotz der Kälte von der Stirn. Hier in diesen schweren Stunden sind die Seile mehr als Seile. Erleichtert höre ich das Wort: Stand. Eine kurze Strecke hinauf sind die Haken nicht schlecht, aber dann oberhalb eines fraglichen Profilhakens wird es ernst. Ab da wurde von den Erstbegehern das denkbar schlechteste Material verwendet: Unzweckmäßiges Eigenbaumaterial, das man höchstens zum Anschauen verwenden konnte. Obwohl ich von oben gesichert bin, ist es kein gutes Gefühl, diese „Grüß-Gott-Haken“ zu belasten. Jedoch ohne gröbere Zwischenfälle gelange ich endlich zum Schlingenstand. Unter uns, schon weit unten ragen die Fels- Türmchen wie erhobene Lanzen zu uns herauf. Nun wird es wohl ernst werden, die kommende Seillänge schaut von unten gesehen gar nicht gut aus, zudem nimmt die Felsqualität nach oben hin ständig ab. Obwohl der Standplatz von zwei Bohrhaken eingerichtet ist, kommen in mir mit der Zeit Bedenken hoch. Diese Dinger haben schon reichlich Rost angesetzt. Burkhard greift die Dachseillänge an. Er steigt an vermoderten Schlingen und fragwürdigen Eisengebilden hoch, bis unters Dach hinauf. Er hängt ein – unbeschreibliche Akrobatik ohne Netz, wie eine Spinne kommt er höher. Am Wulst angelangt, schlägt er zwei Haken, damit er überhaupt zum Stand hinaufkann. …Weit draußen kreisen die Seile während ich höher steige. Als ich im Dach bin, rufe ich zu den zurückgebliebenen Kameraden hinunter. Weiter oben kann ich die Haken sogar händisch lösen, mehrere fielen von selbst hinab. Nun war der Zug an mir. Ab hier vermuteten wir einen senkrechten Verlauf der Route, in Wirklichkeit geht es leicht überhängend weiter. Es war erstaunlich, wie wir beide nach den „überhängenden Stunden“ so abgestumpft waren. An erdenklich schlechtem Material klettere ich höher. „Recht viel wird dieses Zeug sowieso nicht halten“ dachte ich mir dabei. In teils toller Freikletterei gelange ich zum letzten Standplatz, den ich ob unserer 50m Seile auslassen kann. Nach einer überhängenden Rissverschneidung kann ich die Seile an den Latschen festmachen. Drunten an der Dachkante wird Burkhard vom Wind kräftig hin und her- geschaukelt, zudem friert er jämmerlich. Jedoch schon bald langt er ziemlich durchgefroren bei mir heroben ein. In der Dämmerung steigen wir zu den Almen hinab. Noch oft blicken wir zurück auf die Wand und unsere Gelbe Verschneidung.

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